AsJ Baden-Württemberg

 

Keine Lizenz zum Spitzeln

Veröffentlicht in Pressemitteilungen

SPD Juristen aus Baden-Württemberg wollen kein „Arbeitnehmerüberwachungsgesetz“

Die Bundesregierung will seit über zwei Jahren den Beschäftigtendatenschutz neu regeln. Jetzt nimmt sie einen neuen Anlauf, damit das Gesetz dann im August vor der Bundestagswahl eine Grundlage für legale Bespitzelung schafft, wie sie jüngst bei Telekom und Bahn praktiziert wurde.

Die SPD Juristen (ASJ – Baden-Württemberg) kritisieren insbesondere die geplante Videoüberwachung (§ 32f, Abs. 1) und das Screening.

Grundsätzlich verbieten will die Bundesregierung zwar heimliche Videoaufnahmen. Die offene Überwachung soll aber erleichtert werden. Offen bedeutet in dem Fall jedoch nicht, dass die Kameras offen angebracht und für den Arbeitnehmer sichtbar sind, sondern heißt lediglich, dass Arbeitnehmer darüber informiert sind, dass es (irgendwo) Videoüberwachung gibt. Dies stellt - höflich formuliert - keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung dar. In Wirklichkeit ist dies eine Irreführung und eine Verachtung der Arbeitnehmer-Grundrechte.

Auch bei unternehmensinternen Ermittlungen – also Screening (§ 32 d Abs. 3) - und heimlicher Datenerhebung (§ 32 e Abs. 1) gibt die Regierung vor, die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. Zwar wird das anlasslose Screening eingeschränkt. Ermöglicht wird jedoch das Screening zur Erfüllung gesetzlicher Kontroll- und Prüfpflichten.

Das heißt im Klartext: Sobald es einen abstrakten Verdacht etwa auf Bestechungsdelikte oder Untreue gibt, darf die Belegschaft überwacht werden. Der hehre Compliance-Gedanke kann so jederzeit als Feigenblatt für Massenbespitzelung missbraucht werden, genau so, wie es Telekom und Bahn in den letzten Jahren praktiziert haben. Sobald ein Arbeitgeber die Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht ziehen kann (also bereits bei wie auch immer begründeten Ausgangsverdacht selbst bei Bagatelldelikten wie seinerzeit der angebliche ‚Kassenbon-Klau‘ bei Kaisers), darf er gemäß der Pläne von Schwarz-Gelb heimlich Daten über eine/n Arbeitnehmer/in erheben.

Dieser Gesetzesentwurf sollte - so der Vorsitzende der ASJ Baden-Württemberg, Rechtsanwalt Michael Wirlitsch - den Konflikt zwischen Arbeitnehmerinteressen und Arbeitgeberinteressen vernünftig austarieren. Leider geschieht genau dies nicht.

Einerseits wäre sicherzustellen, dass das Eigentumsrecht des Arbeitgebers nicht beschädigt wird, seine Dateneinrichtungen nicht missbraucht werden und der Arbeitnehmer die arbeitsvertraglichen Pflichten, die er übernommen hat, erfüllt. Andererseits sollte der Arbeitnehmer davor geschützt werden, permanent überwacht und kontrolliert zu werden und es muss dafür gesorgt werden, dass sein Persönlichkeitsrecht und sein Recht auf Privatheit und informationelle Selbstbestimmung in dem nach dem Grundgesetz erforderlichen Umfang respektiert werden.

Hierbei sind so Wirlitsch drei Ebenen zu unterscheiden, die eine differenzierte Ausgestaltung des Arbeitnehmerdatenschutzes erforderlich machen:

- Bewertung und Quantifizierung der Arbeitsleistung, gemäß den arbeitsvertraglich übernommenen wechselseitigen Pflichten.

- Vermeidung von Schäden des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer, die insbesondere die Korruptionsbekämpfung des Arbeitgebers mit umfassen.

- Schutz von Firmengeheimnissen.

Zentrale Forderung an das neue Gesetz ist, dass der Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ernst genommen wird, so ASJ-Landesvorsitzender RA Wirlitsch. Leider geschieht das Gegenteil. Das Gesetz sollte den schonenden Umgang der datenverarbeitenden Stellen mit den personenbezogenen Daten vorschreiben; dies muss organisatorisch in größeren Betrieben auch dadurch sichergestellt werden, dass die Personalverwaltung und die Lohnbuchhaltung auch personell getrennt sind. Daten die nicht erhoben wurden, können auch nicht missbraucht werden.

Anhang :
Deutscher Bundestag Drucksache 17/4230 17. Wahlperiode 15. 12. 2010
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes

§ 32d Datenverarbeitung und -nutzung im Beschäftigungsverhältnis
....
(3) Der Arbeitgeber darf zur Aufdeckung von Straftaten oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen durch Beschäftigte im Beschäftigungsverhältnis, insbesondere zur Aufdeckung von Straftaten nach den §§ 266, 299, 331 bis 334 des Strafgesetzbuchs, einen automatisierten Abgleich von Beschäftigtendaten in anonymisierter oder pseudonymisierter Form mit von ihm geführten Dateien durchführen. Ergibt sich ein Verdachtsfall, dürfen die Daten personalisiert werden. Der Arbeitgeber hat die näheren Umstände, die ihn zu einem Abgleich nach Satz 1 veranlassen, zu dokumentieren. Die Beschäftigten sind über Inhalt, Umfang und Zweck des automatisierten Abgleichs zu unterrichten, sobald der Zweck durch die Unterrichtung nicht mehr gefährdet wird.